Montag, 4. Juni 2007

Chapter 5


Sobald er wieder auf Tour war hatte er dieses Gespräch auch schon vergessen. Doch es kam ihm schneller wieder in den Sinn, als ihm lieb war! Sie checkten eben im Hotel ein und warteten auf den Aufzug, als Richie ihm den Ellbogen in die Seite stieß.
„Hey, du hättest ja was sagen können, daß Trish heute kommt!“
Jon fuhr erschrocken herum und blickte in die Richtung, in die Richie zeigte. Tatsächlich, da kam so eben seine Freundin zur Tür herein!
„Rich, ich hatte keine Ahnung, du Trottel! Fuck!“ zischte er seinem Freund zu. Schon hatte ihn Trish erblickt und eilte auf ihn zu. Sie strahlte über das ganze Gesicht, ließ ihre Tasche fallen und sprang ihn förmlich an.
„Überraschung, Cowboy! Freust du dich? Ich kann zwei Tage bleiben!“
„Hi Kleines! Schön!“ erwiderte er und hörte selbst, daß es ein wenig lahm klang. Hastig küsste er Trisha und kurz darauf fuhren sie zusammen im Aufzug zu seinem Zimmer hinauf. Richie zwinkerte ihm belustigt zu, als sie ausstiegen. Trisha war diesmal noch anhänglicher als sonst. Wenn sie unterwegs waren, dann ließ sie kaum seine Hand los. Ständig hing sie an ihm und es ging ihm etwas auf die Nerven. Doch er brachte es nicht übers Herz sie zu enttäuschen. Er fand es ja auch ganz nett, daß sie da war! Er brachte sie sogar zwei Tage später zum Flughafen, worüber sie sich sehr freute. Zum Abschied drückte sie sich fest in seine Arme.
„Cowboy, ich werde dich vermissen! Es wird Zeit, daß die Tour zu Ende geht! Ich hasse es langsam, mich ständig verabschieden zu müssen!“ murmelte sie bedrückt an seiner Schulter.
„Nur noch 3 Monate, Trish!“ erwiderte er trocken und küsste sie auf die Wange.
Ihr Griff wurde fester und er sah wie Tränen in ihre Augen traten.
„Das ist viel zu lange! Es ist einsam ohne dich!“ schniefte sie und dicke Tränen rollten nun über ihre Wangen.
Jon seufzte tief und wischte über ihre Wange.
„Du schaffst das, Kleines! Jetzt musst du aber gehen, bevor die Maschine weg ist! Bis bald, Trish!“ Er küsste sie zärtlich und schob sie sanft von sich.
Trish nickte mit betrübter Miene und warf ihm im Weggehen eine Kusshand zu. Jon wandte sich zügig ab und ging davon. Diese Gefühlsduseleien verursachten Unwohlsein in ihm und er musste dem entfliehen.
Diesmal verflog das ungute Gefühl des Abschieds nicht so schnell. Es kam ihm immer wieder in den Sinn und er unternahm einige Anstrengungen, um es zu unterdrücken. Es gipfelte darin, daß er sich noch heftiger in das Partyleben stürzte und kaum noch eine Nacht verging, die er allein verbrachte. Inzwischen fürchtete er schon fast Trishas Anrufe und oft ging er gar nicht erst ans Telefon, wenn es nachts klingelte. Es erleichterte sein Gewissen zwar nicht gerade, aber er konnte nicht anders. Auf Diskussionen hatte er keine Lust!

Vier Wochen später flog Trisha erneut für ein paar Tage ein. Jon bemerkte schon am Flughafen, daß sie sehr ruhig war. Sie schien unter Anspannung zu stehen, auch wenn er sich nicht erklären konnte warum. Es blieb auch nicht viel Zeit darüber nach zu denken, denn sie mussten auf direktem Weg ins Stadion, um rechtzeitig auf der Bühne zu stehen. Wie immer sah Trisha von der Seite aus zu und er zwinkerte ihr mehrmals am Abend zu. Er sah sie sanft lächeln und es tat ihm enorm gut. Auf eine einfache Weise nahm es ihm ein wenig seiner Erschöpfung, die inzwischen übermächtig geworden war. Direkt nach der Show ließ er sich zusammen mit Trisha ins Hotel fahren. Ihm war nicht nach Party, vielmehr hatte er ein Bedürfnis nach Nähe. Nach Trishas Nähe! Sie schien es zu spüren, denn sie waren kaum in ihrem Zimmer, als sie ihn in die Arme nahm und auszuziehen begann. Jon schloß die Augen, überließ sich ihren zärtlichen Händen. Er fühlte Wärme, Geborgenheit, als sie ihn langsam und liebevoll liebte. Er schmiegte sich an ihren schmalen Körper und sog den vertrauten Duft in die Nase. Trisha streichelte leicht über seinen Rücken und küsste ihn von Zeit zu Zeit. Nach einiger Zeit stand er auf, um sich etwas zu trinken zu holen.
„Möchtest du auch ein Bier, Kleines?“ fragte er vor dem Kühlschrank stehend.
„Hm. Bring auch die Zigaretten mit!“ antwortete sie leise.
Mit Bier und Kippen kam er zurück ins Bett und lehnte sich entspannt zurück. Trisha saß am Fußende des Bettes und sah ihn gedankenverloren an.
„Spuck schon aus, was durch dein hübsches Köpfchen geht!“ neckte er sie lächelnd.
Sie blickte nur kurz auf, zupfte fahrig an der Bettdecke herum.
„Jon, ich halte das so nicht mehr aus! Ich kann mit der Ungewissheit nicht mehr länger leben! Ich muß wissen wohin unser Weg führt!“ platzte sie unvermittelt hervor.
Jon riß überrascht die Augen auf.
„Wovon redest du, Trish?“
„Stell dich doch nicht blöd, Jon! Du weißt genau was ich meine! Wir sind jetzt seit fast 1 ½ Jahren zusammen und noch immer bin ich mir nicht sicher, was daraus werden soll! Was wird sein, wenn die Tour zu Ende ist? Werden wir weiterhin in getrennten Häusern leben? Sag mir, wie du dir unsere Beziehung vorstellst!“ Ihre Stimme klang energisch und sie fuchtelte aufgeregt mit der Hand herum.
Jon hatte das Gefühl im Schraubstock zu stecken. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer.
„Hey, ich hab mir keine Gedanken darüber gemacht! Warum auch? Es läuft doch prima, so wie es ist! Ich kann dir nicht sagen, was ich nach der Tour machen werde! Es wird eine längere Pause geben und dann werden wir sehen wie es weiter geht. Ich bin am Ende meiner Kräfte und auch die Jungs haben keinen Bock mehr. Im Moment kommt mir die Zukunft wie ein großes, schwarzes Loch vor! Trish, ich weiß nicht was du hören willst!“ stieß er hervor.
„Ich möchte einfach von dir hören, daß du mit mir zusammen sein möchtest! Nicht nur für die nächsten Tage, sondern länger! Sag mir einfach mal, ob ich dir noch etwas bedeute, oder ob dir scheißegal ist wie es mir geht! Hast du dir jemals Gedanken darüber gedacht, was ich für Wünsche und Träume habe?“ fauchte sie ihn aufgebracht an.
Auch in Jon kochte der Ärger hoch.
„Natürlich möchte ich mit dir zusammen sein! Woher soll ich wissen was du denkst, wenn du es mir nicht sagst? Trish, von den 1 ½ Jahren war ich zwölf Monate unterwegs! Ein bisschen wenig Zeit, um sich so genau zu kennen, daß man alles weiß! Erzähl mir was du dir wünscht, ich höre zu!“ forderte er sie auf.
Trisha fuhr sich durch die lange Mähne, sah ihn aber nicht an.
„Du machst es dir zu leicht, Jon! So läuft das in einer Beziehung nicht! Man kennt die Wünsche des Anderen, wenn man ihn liebt!“ erwiderte sie leise.
In Jon brannte eine Sicherung durch. Er sprang auf und blieb vor ihr stehen.
„Wer sagt, daß es hier um Liebe geht?“ schrie er sie an. Er sah wie sie zusammen zuckte, den Kopf langsam hob. Ihre grünen Augen schwammen in Tränen.
„Das ist also der Punkt! Klar, wie kann ich so vermessen sein zu glauben, daß du mich liebst! Du bist ja immer so schön vage! Nur keine Beweise hinterlassen, die man dir zur Last legen könnte! Als wüsste ich nicht zu genau, daß du mir nie eine Liebeserklärung gemacht hast! Du bist erbärmlich, Jon!“ spie sie ihm ins Gesicht.
Jon wurde schlagartig ruhig, in seinem Inneren wurde es kalt. Trish hatte einen ganz wunden Punkt getroffen! Ihm wurde klar, daß er genau diese Situation seit Monaten befürchtet hatte!
„Warum machst du alles kaputt, Trisha? Was ist so wichtig an drei kleinen Worten? Ist es nicht mehr wichtig, daß wir eine schöne Zeit miteinander hatten und immer noch haben können?“
Trish stand nun ebenfalls auf, ging zu ihren Klamotten und streifte ihr T-Shirt über, bevor sie ihm antwortete.
„Und ein weiteres Mal suchst du nach Ausflüchten! Mir sind diese Worte nun mal wichtig! Ich kann nicht mehr länger mit dir zusammen sein, wenn du mich nicht liebst! Ich wünsche mir Familie, Jon! Ich will Kinder haben bevor ich 30 bin und nicht erst in ein paar Jahren! Und allem voran möchte ich einen Partner haben, der ehrlich zu mir ist! Einen, der nicht davon läuft, wenn er Verantwortung übernehmen soll! Du bist doch seit Jahren nur auf der Flucht und nimmst jede Gelegenheit wahr, um nicht erwachsen werden zu müssen! Du kannst einem schon fast leid tun, Jon! Leb dein Cowboy-Leben weiter, aber wundere dich nicht, wenn du irgendwann alleine da stehst, weil du auf das falsche Pferd gesetzt hast!“
Trisha hatte ruhig und überlegt gesprochen und gerade das traf ihn tief. Er drehte ihr den Rücken zu, weil er nicht wusste was er darauf sagen sollte. Er hörte sie durch das Zimmer gehen, in ihrem Koffer kramen. Die Luft zwischen ihnen vibrierte, aber er war nicht in der Lage es zu ändern. Vor seinem geistigen Auge erschienen quängelnde Kinder, Bilder eines spießigen und langweiligen Lebens. Oh nein, das war nicht sein Ding! So wollte er nicht leben! Nicht jetzt und heute!
„Es ist dein Ding, wenn du das so siehst, Trisha! Wenn dir mein Job und mein Lebensstil nicht gefällt, dann kann ich es nicht ändern!“ gab er pampig zurück und drehte sich wieder zu ihr um. Überrascht sah er, daß sie komplett angezogen war, den Koffer gepackt hatte. Sie weinte nicht mehr, obwohl sie ihre roten Augen nicht verbergen konnte.
„Du bist feige, Jon! Ich denke es ist besser, wenn sich unsere Wege trennen!“ flüsterte sie mit zitternder Stimme.
„Trish, lass uns nichts überstürzen! Warum kann es nicht so weitergehen wie bisher?“ versuchte er sie umzustimmen. Der Gedanke sie zu verlieren, gefiel ihm nicht!
Fassungslos sah er mit an wie sie ihren Koffer vom Boden hob und damit zur Zimmertür ging. Kurz blieb sie dort stehen und blickte ihn an.
„Es kann nicht weitergehen, Jon! Ich habe nur dieses eine Leben und werde es nicht wegwerfen! Du magst es vielleicht nicht gerne hören, aber ich liebe dich, Cowboy! Ich liebe dich so sehr, daß ich fast alles für dich tun würde! Aber eben nur fast! Ein Leben als Spielpüppchen gehört definitiv nicht dazu! Leb wohl, Cowboy!“ Die letzten Worte gingen beinahe in ihrem Schluchzen unter und dennoch dröhnten sie in seinem Kopf. Sie lähmten ihn und ließen nicht zu, daß er Trisha zurückhielt, als sie aus der Tür trat. Erst das Zufallen der Tür nahm er wieder bewusst wahr. Er ließ sich aufs Bett fallen.

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