Montag, 4. Juni 2007

Chapter 6


Jon wischte sich über die Augen. Sie waren feucht. Der Schmerz tobte genauso stark in ihm wie damals, als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Er war unfähig gewesen zu handeln. Die ganze Nacht hatte er wach gelegen, vor sich hingestarrt. Er hatte sich selbst verflucht dafür, daß er ihr nicht einfach die gewünschten Worte gesagt hatte. Was war schon dabei, ob es die Wahrheit gewesen wäre oder nicht, solange es sie beruhigt hätte! Im gleichen Moment war ihm der Gedanke auch schon zu wider gewesen! Lügen waren ein schlechter Grundstein und er hatte es immer verabscheut!
Er erinnerte sich daran, daß er sich jeden Gedanken an Trisha verboten hatte! Erreicht hatte er es nur, da er sich viel zu oft und wahllos mit Alkohol zugeschüttet hatte. Die letzten Shows waren eine Tortur gewesen. Die Stimmung innerhalb der Band war auf dem Tiefstpunkt angelangt, seine Stimme war kaputt und er klang wie ein rostiger Eimer. Die körperliche Erschöpfung war so groß geworden, daß er völlig abstumpfte. Als die letzten Akkorde, der letzte Applaus verklungen war, wollte er nur noch weg von allem! Keiner sagte dem anderen Goodbye, alle strebten in verschiedene Richtungen, in unterschiedliche Leben. Die ersten Wochen zuhause waren von Erschöpfung und gleichzeitig Rastlosigkeit geprägt gewesen. Erst nach Wochen nahm er wahr, daß Trisha ihre Sachen aus seinem Haus geholt hatte. Im Gegenzug hatte sie seine Sachen in einer Kiste mitten in die Garage gestellt. Ihren Hausschlüssel hatte sie seinen Eltern gebracht, wie er erfuhr. Seine Mutter hatte besorgt gefragt was geschehen war und er versuchte eine Erklärung zu geben. An der Miene seiner Mum hatte er erkannt, daß es ihm nicht gut gelungen war! So nach und nach wurde er sich einiger Dinge klar und damit fingen seine Qualen auch erst richtig an. Er vermisste Trisha! Sehnte sich danach, ihr fröhliches Lachen zu hören! Wie hatte er ihr nur so weh tun können! Warum hatte er gemeint, ohne sein wildes Rockstarleben nicht auskommen zu können? Was wäre schon passiert, wenn er diese bedeutungslosen One-Night-Stands aufgegeben hätte? Er hätte eine Frau an seiner Seite haben können, die ihn wirklich liebte und die sich um ihn sorgte! Die es nicht auf seinen Ruhm, sein Geld, seine Connections abgesehen hatte! Die es einfach nur ehrlich mit ihm meinte und nicht mehr von ihm forderte, als geliebt zu werden! Trisha hatte vollkommen recht gehabt mit ihrer Einschätzung! Lieber hatte er seinem Cowboy-Leben frönen wollen, als erwachsen zu werden. Zu sehr hatte er diesen kindischen Träumen nach gehangen, nicht geglaubt, daß Zeiten kommen würden, wo ihn dies alles langweilen würde! Gott, was war er nur für ein verbohrtes, selbstsüchtiges Arschloch gewesen! Natürlich liebte er Trisha! Wer hätte dieses wunderbare Geschöpf mit den roten Haaren und den faszinierenden grünen Augen auch nicht lieben können! Doch jetzt war es zu spät! Er glaubte nicht, daß Trisha ihm nach so langer Zeit noch eine Chance geben würde! Außerdem schämte er sich seines Verhaltens zu tiefst, war der Meinung, daß er es nicht besser verdient hatte!
Er brauchte lange, um einigermaßen ins Leben zurück zu finden. Der Schmerz ließ nur langsam nach, aber er schwand. Die Arbeit am „Young Guns“-Album half ihm dabei. Er hatte das Angebot auch deswegen angenommen, weil er das Bedürfnis hatte sich von seiner kindischen Cowboy-Mentalität zu verabschieden. Er war kein Cowboy mehr, der in Städte ein ritt, sich die Frauen und das Geld schnappte und weiter zog! Blödsinn!
Immer wieder hatte er Tage erlebt, wo er an Trisha dachte, sie schmerzlich vermisste. Meistens hatte er sich dann betrunken. Erstaunlicherweise sah er sie nie irgendwo auf der Straße, obwohl sie nicht weit weg wohnte und arbeitete. Instinktiv schienen sie beide die Orte mit gemeinsamen Erinnerungen zu meiden. Einige Freunde von ihm berichteten ihm, daß sie sie manchmal von weitem sahen. Aber nie konnte ihm jemand sagen, ob es ihr gut ging! Er selbst hatte nicht den Mut, dies in Erfahrung zu bringen!

Und jetzt kündigte sie also ihre Heirat für den nächsten Tag an! Stürzte ihn mit einem Schlag zurück in die Vergangenheit, ließ ihn den Schmerz und sein Versagen noch einmal fühlen! Ob sie wusste, was sie ihm damit an tat? Wohl kaum! Er hatte sie ja gehen lassen, ihr nicht gesagt, daß er sie liebte. Sie musste glauben, daß sie ihm nie etwas bedeutet hatte! Dieser Gedanke piesackte ihn, ließ ihn unruhig durch das Haus wandern, auch jetzt spät in der Nacht noch! Ob er am nächsten Tag in die Kirche gehen sollte? Quatsch, welche Braut wollte schon ihren Exfreund am schönsten Tag ihres Lebens sehen? Und doch hatte er das dringende Bedürfnis, ihr zu zeigen, daß er ihre Entscheidung akzeptierte. Wenn sie die Liebe, die sie sich wünschte, von einem anderen bekam, dann freute er sich für sie. Über all seinen Erinnerungen war ihm dies klar geworden! Auch wenn er noch immer Gefühle für sie hegte, so musste er sie für sich behalten. Er hatte seine Chance gehabt und sie sinnlos weg geworfen. Grübelnd schlich er durchs Haus und landete schließlich an seinem Flügel. In Gedanken versunken klimperte er darauf herum. Eine halbe Stunde später hatte er bereits einige Zeilen geschrieben. Kritisch las er sie immer und immer wieder durch. Kein Zweifel, daraus ließ sich ein Song machen! Ein Song, der alles ausdrückte, was er ihr gerne sagen wollte und wozu er früher keinen Mut gehabt hatte! Eifrig machte er sich ans Werk, legte all sein Herzblut hinein. Es war seine große Chance, die Vergangenheit endlich abzuschließen und ohne Ballast in die Zukunft zu blicken!

Trisha setzte sich mit dem Stapel Post zurück an den Frühstückstisch. Sie waren am Vorabend erst aus den Flitterwochen zurück gekommen und Matt arbeitete bereits wieder. Zum Glück hatte sie noch zwei Tage frei, um all die Glückwunschkarten zu beantworten! Etwas gelangweilt blätterte sie die Umschläge durch. An einem kleinen Päckchen blieb ihr Blick hängen. Die Schrift kam ihr bekannt, merkwürdig vertraut vor! Neugierig riß sie das Päckchen auf und hielt wenig später ein Tape und einen Brief in der Hand. Sie ahnte bereits von wem der Umschlag stammte und öffnete den Briefbogen.

Liebe Trish,
Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute! Ich habe lange überlegt, ob ich mich melden soll, aber es war mir zu wichtig, Dir noch ein paar Dinge zu sagen. Leider hatte ich früher nicht den Mut dazu! Ich hoffe, Du hast mir verzeihen können! Ansonsten hoffe ich, daß Dir das Tape dabei helfen kann! Bitte höre es Dir in Ruhe an! Ich wünsche mir nichts mehr, als das Du glücklich bist und auch immer mit Deinem Mann sein wirst!
Lebe wohl!
Dein Cowboy

Trishas Hände zitterten leicht und in ihrem Hals steckte ein Kloß. Sie versuchte tief durch zu atmen, was ihr nur schwer gelang. Es kam ihr so vor, als wäre es erst gestern gewesen, daß sie ihn zuletzt gesehen hatte. Erinnerungen brachen über sie herein, gegen die sie sich nicht gut wehren konnte. Die sie einerseits lächeln ließen und auf der anderen Seite auch traurig machten. Hastig stand sie mit dem Tape in der Hand auf und eilte ins Wohnzimmer zur Stereoanlage. Sie legte das Band ein und drückte auf „Play“.

Today you'll pick up all the pieces
And get on with your life
All I can hope is that you're happy
'Cause today you're someone elses wife
Right now I wish that I could turn back
And beg the hands of time
For the days that I remember (oh baby)
The days when you were mine
And if I never said I love you
It's cause the words got in the way

Now all I do is say I'm sorry
Sorry I missed your wedding day

I'll bet you looked good at the altar
I'll bet he knew the words to say
And the angels smiled when you walked down the aisle
You both knelt down to pray
As he put his ring on your finger
I know there's just one thing left to say

All I can do is say I'm sorry
Sorry I missed your wedding day

You won't be walking through the door anymore
You won't be sleeping in this bed anymore
Tho' I swear I see your shadow waltz accross my floor
And I don't know if I can take it
Should we ever meet again
Cause I know that we'll be strangers
When he introduces friends

I tried to make it to the church now baby
A broken heart got in the way

All I can do is tell you I'm sorry
Sorry I missed your wedding day

I really hope you're happy baby
Tho' it's killing me to say
All I can do is say I'm sorry
Sorry I missed you're wedding day

Als Jons weiche Stimme endete, liefen Tränen über ihre Wangen. Sie hatte jedes Wort wie ein Schwamm in sich aufgesaugt. Sie hatten sich direkt in ihr Herz eingebrannt! Genau da, wo auch immer ein Fleckchen für Jon reserviert sein würde. All die traurigen Erinnerungen und die verletzten Gefühle lösten sich in Luft auf und machten ein wenig Heiterkeit Platz. Definitiv war Jons Song das schönste Hochzeitsgeschenk, das sie bekommen hatte! Sie würde ihn niemals vergessen, aber sie musste nun nicht mit Bitterkeit an ihn denken! Es hatte nicht sein sollen und sie bedauerte es auch nicht mehr. In Matt hatte sie einen Partner gefunden, der ihr all das geben konnte, was sie sich immer gewünscht hatte!
Sie nahm das Tape aus der Anlage und steckte es zusammen mit dem Brief in den Umschlag zurück. Sie trug den Umschlag hinauf in ihr Schlafzimmer und holte eine kleine Kiste unter ihrem Bett hervor. Fast andächtig öffnete sie ihre kleine, persönliche Schatztruhe, in der sie all die Dinge aufbewahrte, die ihr wichtig waren und die sie niemals weg werfen würde. Sie hob den Umschlag an ihre Lippen und drückte einen leichten Kuß darauf, bevor sie ihn behutsam in die Kiste legte.
„Leb wohl, Cowboy!“ flüsterte sie.


The End!!!


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